Ausflugsziele / Touristen statt Mieter

Touristen statt Mieter

Köln Nordrhein-Westfalen Deutschland


Das Mietniveau und Mietverhalten in großen Städten unterliegt ständigen Schwankungen. Die Faktoren, die zur Preisbildung der Mieten führen, sind in Ballungsgebieten vielfältig und können zu grundlegenden Veränderungen der sozialen Strukturen ganzer Quartiere führen. Abwanderungsbewegungen, Verdrängungsprozesse der ursprünglichen Bevölkerung und Gentrifizierung sind nur wenige Ergebnisse, die durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden. Diese Faktoren sind entscheidend dafür, ob potenzielle Mietinteressenten bestimmte Gebiete bevorzugen oder meiden. Oftmals gestaltet sich eine Umstrukturierung so, dass sie sich anfangs durch dezente Hinweise bemerkbar macht. Wird die Veränderung von Außen deutlich bemerkbar, der Prozess zumeist bereits voll im Gange. Hier erscheint nur noch Schadensbegrenzung möglich.
 
Großstädte besonders betroffen
 
Ein solcher Prozess wird in Großstädten deutlich, die stark vom Tourismus geprägt sind. Betroffen sind zumeist ausgewählte Bezirke, wenngleich diese Kenntnis grundsätzlich nicht vollkommen neu ist. Neu ist jedoch, dass durch hohe Fluktuationen an Besuchern nicht nur die Bereiche sehenswerter Standorte betroffen sind, sondern vermehrt die Kieze, in denen ursprünglich eine überwiegende Mehrheit an dauerhaften Mietverhältnissen vorherrschte.
 
Köln und Berlin besonders auffällig
 
Im Detail fallen besonders Köln und Berlin mit dieser neuen Entwicklung auf. Im Innenstadtbereich von Köln wurde bewusst auf eine heterogene Mischung der Gebäudebelegung geachtet. Die zentral gelegenen Wohnungen durchlaufen jedoch derzeit eine Veränderung, da sie zunehmend als Ferienwohnungen umgenutzt werden. Der Grund dafür ist finanzieller Art. Zwar ist die kurzfristige Vermietung von Wohnungen nicht innovativ, das Prinzip hat sich für Pendler, Montagepersonal und dergleichen schon lang etabliert. Doch erscheint diese Praxis nun in einer neuen Dimension.
 
Touristen nicht vergleichbar mit Monteuren
 
Der Vorteil in kurzzeitig vermieten Objekten sind im Vergleich deutlich höhere Preise pro Quadratmeter, als bei langfristigen Vermietungen. Die betroffenen Wohneinheiten liegen, im Vergleich zu klassischen touristischen Unterkünften ähnlicher Preiskategorien, sehr zentral. Damit ergibt sich auch die erste Problematik. Denn Touristen sind grundsätzlich nicht vergleichbar mit Monteuren und Pendlern. Die Erfahrungen und Rückmeldungen sowie rechtlichen Streitfälle haben in der überwiegend aufgezeigt, dass der kontinuierliche Wechsel von Mietern zu gravierenden Störungen innerhalb der unmittelbaren Umgebung der jeweiligen Wohnungen führen kann. Die Gründe dafür sind ersichtlich. Denn ein Mehrparteienwohnhaus wird von den nachbarschaftlichen und infrastrukturellen Eigenschaften nicht ausgerichtet auf Party- Tourismus. Wer nur kurz einen Zwischenstopp macht, um ein aufregendes Party-Wochenende zu verbringen, klassifiziert sich häufig durch ein anderes Verhalten, als wenn er ein dauerhaftes Mietverhältnis anstrebt. Problematisch sind nicht nur etwaige Lärmbelästigungen. Die vertraute Atmosphäre eines in sich geschlossenen Wohnhauses mit mehreren Parteien wird empfindlich gestört, wenn fortwährend fremder Durchgangsverkehr stattfindet. Da immer neue Unbekannte auftreten, geht das ursprüngliche Sicherheitsgefühl der Mietergemeinschaft schnell verloren. Die wechselnden Besucher sind fremd und haben keinen Bezug zum eigentlichen Gefüge der anderen Dauermieter.
 
Keine rechtliche Grundlage gegen die Umnutzung von Mietwohnung zu Ferienwohnung
 
Folglich führt diese Situation zu Veränderungen in ursprünglich als Wohnquartiere qualifizierten Gebieten. Das beginnt bei Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern, weil Mietminderungen gefordert werden und führt langfristig häufig zur Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung. Eine langfristige Umstrukturierung ist damit kaum noch aufzuhalten. Hinzu kommt, dass vielerorts keine rechtliche Grundlage gegen die Umnutzung von Mietwohnungen zu Ferienwohnungen besteht. Somit kann Wohnungseigentümern diese lukrative Form der Vermietung nicht verboten werden.
 
Verdrängung der Ursprungsbevölkerung von Berlin
 
Was in Köln noch in einem relativ eng begrenzten Stadtbereich stattfindet, passiert in Berlin in riesigen Dimensionen. Mit der Verdrängung der Ursprungsbevölkerung geht auch schnell eine Erhöhung des Mietpreisniveaus einher. Dies zwingt noch vorhandene Bevölkerungsschichten zunehmend in periphere, weniger attraktive Wohnbereiche der Stadt. Warum das passiert, liegt in Berlin in der Eigenart jedes einzelnen Kiezes. Immer mehr Besucher wenden sich ab von den klassischen Touristen-Routen und möchten die ursprüngliche Mentalität ihres Reiseziels erleben. Zwar wäre es in einer infrastrukturell gut ausgerüsteten Stadt wie Berlin vergleichsweise unproblematisch, günstige Unterkünfte auch in Bereichen fern der Innenstadt zu beziehen, ohne auf den Komfort schneller Erreichbarkeit des Zentrums verzichten zu müssen. Doch entspricht diese Struktur nicht mehr den Erwartungen der meisten Besucher. Die Konsequenz sind riesige Abwanderungsbewegungen und eine anhaltende Mitpreissteigerung. Zwar wurde betroffenen Mietern vor Gericht die Zulässigkeit von Mietminderungen aufgrund zunehmender Störungen gewährt, doch das grundsätzliche Problem ist damit nicht beseitigt.
 
Wohnraumschutzgesetz
 
Mit ein Grund dafür ist die Änderung der gesetzlichen Lage zur Nutzung vorhandener Bauten in den 1970er Jahren. Vielerorts wurde aufgrund von Wohnungsknappheit ein so genanntes Wohnraumschutzgesetz im Baurecht verabschiedet. Da in den 1990er Jahren von Knappheit keine Rede mehr sein konnte, hob der Berliner Senat diese Beschränkungen wieder auf, das Ergebnis dieser Entscheidung zeigt sich nun deutlich. Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Hamburg, denn dort wurde diese gesetzliche Schutzmaßnahme nicht aufgehoben. Zwar ist das oben beschrieben Problem dort auch nicht unbekannt, wird allerdings aufgrund der gesetzlichen Vorgaben deutlich offensiver bekämpft und erscheint in eindeutig geringeren Dimensionen wie andernorts. Es bedarf demnach eines Umdenkens im Planungsprozess und Anpassungen des Baurechts, im diese Veränderungsprozesse positiv zu beeinflussen.
 

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Touristen statt Mieter
51103 Köln
Deutschland


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